Das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Thema „Widerruf von Kreditverträgen“ hat in anwaltlichen Fachkreisen für ein Erdbeben gesorgt und findet auch in den zahlreichen Verbraucherschutzverbänden umfassende Zustimmung – aus gutem Grund, denn mit dem gefällten Urteil kann womöglich Millionen von Kreditnehmern aus einer misslichen Lage hinsichtlich laufender Kreditverträge verbindlich geholfen werden.
Dementsprechend begeistert zeigen sich Anwälte wie beispielsweise Stefan Bergeest, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Seevetal. Für ihn ist dieses Urteil ein klares Signal an alle Betroffenen:
"Dieses neue Urteil des europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist bahnbrechend! Auch Jahre nach Vertragsschluss können Kreditkunden ihren Verbraucherdarlehensvertrag noch widerrufen, wenn der Darlehensvertrag fehlerhafte oder unvollständige Angaben enthält, die nach der Europäischen Verbraucherkreditrichtlinie in den Darlehensvertrag aufzunehmen sind."
Bisherige banken-freundliche Rechtsprechung gilt nun als aufgehoben
Die bis dato bankenfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist mit dem neuerlichen Urteil des EuGh damit beendet. Ein Ende, das die Bankenwelt in Aufruhr bringen dürfte, denn es drohen zahleiche Verfahren an deren Ende für die betroffenen Banken ein erheblicher finanzieller Verlust stehen dürfte. Denn der EuGH hat die Neu-Regelung des Kredit-Widerrufs unter anderem auch für allgemeine Verbraucherkredite wie Allzweckdarlehen für Anschaffungen wie z.B. der Kauf der Küche entschieden.
EuGH Urteil zum Kredit-Widerruf: Das müssen Kreditverträge beinhalten
Laut dem aktuellen Urteil müssen folgende Pflichtangaben im Darlehensvertrag enthalten sein. Wenn diese nicht angegeben sind, kann widerrufen werden:
• Konkreter Satz der Verzugszinsen: In dem Kreditvertrag muss zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der konkrete Satz der Verzugszinsen genannt werden sowie der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinses. Die oft verwendete Klausel "Der jährliche Verzugszins beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz" reicht allein nicht.
• Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung: Die Methode für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung muss so konkret angegeben werden, dass der Kreditkunde deren Höhe berechnen kann. "Noch nie haben wir bei einem Kreditvertrag einen konkreten Rechenweg gesehen, damit ein Kunde dies selbst berechnen kann", so Rechtsanwalt Bergeest.
• Außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren: Im Kreditvertrag müssen die wesentlichen Informationen über das außergerichtliche Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und die hiermit gegebenenfalls verbundenen Kosten genannt werden. Ein Verweis auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder ein anderes Schriftstück reicht nicht.
• Autokredite: Vermittelt, wie im Falle des EuGH, der Autohändler den Autokredit, dann hat die Bank im Rahmen des Vertrages / der Widerrufsbelehrung anzugeben, dass es sich um "verbundene Kreditverträge" handelt, die befristet sind.
Zur Freude von Anwälten als auch betroffenen Kreditnehmern: Widerruf auch nach Vertragsende möglich
Der EuGH hat dem Lieblingseinwand der Banken, ein Widerruf sei bei Beendigung des Kredites verwirkt, also ausgeschlossen, eine Absage erteilt. Der Verbraucher muss klar und verständlich über seine Rechte belehrt werden. Ein Widerruf sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, auch lange nach Vertragsschluss kann widerrufen werden.
Was bedeutet dies für den Kreditnehmer? Wird ein Darlehen widerrufen, so muss der Vertrag rückabgewickelt werden. Der Kreditnehmer erhält alle an die Bank geleisteten Zahlungen, also Zins- und Tilgungsleistungen zurück. Diese sind zugunsten des Kunden sogar zu verzinsen. Weitere Raten muss der Kunde nicht mehr zahlen. Beim Autokredit wird das Auto an die Bank gegen Wertersatz zurückgegeben, wobei Umsatzsteuer und Händlergewinn abzuziehen sind.
Lohnenswert kann ein Widerruf sein bei einem höheren Darlehens-Zinssatz, wenn ein günstigerer Kredit möglich ist (Umfinanzierung) und wenn man das finanzierte Auto zurückgeben will, weil es z.B. vom Diesel-Skandal betroffen oder sonst mangelhaft (z.B. Montagsauto) ist. Bevor voreilig widerrufen wird, sollte jedoch fachanwaltliche Hilfe zeitig aufgesucht werden, damit man auch weiß, ob sich ein Widerruf lohnt.
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